17. Juni 2007

Welcome to the Jungle

Die Großstadt ist ein Dschungel, überall Gefahren, wilde Tiere und die allgemeinen Unwegsamkeiten des täglichen Lebens. Ich habe immer gern alles dabei, um auf alle eventuellen Probleme vorbereitet zu sein. Daher schleppe ich tagtäglich riesige Taschen mit mir herum.

Dieter Nuhr hat sich mal über die Handtasche seiner Freundin lustig gemacht, was sie alles darin hat, das sie nie etwas findet, die verschiedenen Schichten von Dingen, die nach Unten hin immer kleiner werden bis zu den Bröseln am Grund der Tasche. Ich liebe diese Geschichte! Er hat ja so Recht! Frauen haben zumeist eine besonder Beziehung zu ihrer Handtasche (anders würden sich auch niemals die Summen erklären, die manche Frauen bereit sind für eine Tasche auszugeben). Sie ist ein guter Freund, der einen, auch wenn man manchmal länger darin suchen muss, nie im Stich lässt. Männer können diese Beziehung nicht verstehen. Ich glaube ihnen fehlt das Taschen-Gen.

Als ich noch klein war und jeden Morgen mit der U-Bahn zur Schule gefahren bin, konnte ich einen Mann beobachten, den ich manchmal in der Bahn sah. Er trug immer einen Aktenkoffer bei sich (ja, das waren die Zeiten, als man noch Aktenkoffer hatte), aus schwarzem Kunstleder mit goldfarbenen Beschlägen und Zahlenschlössern. In der Bahn setzte er sich hin, legte den Koffer auf seinen Schoß und öffnete ihn. Darin waren im Deckel sorgfältig in Gummischlaufen aufgereiht mehrere Stifte und unten eine Brieftasche, ein Apfel und eine Zeitung. Was hat der eigentlich den ganzen Tag gemacht? Und wozu brauchte er diesen Koffer? Männer brauchen keine großen Taschen. Männer kommen offenbar ohne viele Dinge durch den Tag, die ich als lebensnotwendig erachten würde. Wie machen die das?

Ich schleppte seinerzeit eine ausgebeulte pfirsichfarbene Umhängetasche mit mir herum, von der der Trageriemen so lang eingestellt war, das die Tasche fast auf dem Boden schleifte (war damals todschick). Die Tasche war ziemlich schwer, da ich morgens alles reinstopfte, was ich den Schultag über eventuell brauchen könnte. Hinzu kam, dass ich vorher nicht immer die Sachen vom Vortag rausgenommen hatte – ein Wunder das ich aus der Zeit keinen ernsten Rückenschaden hab.

Dieses Verhalten hat sich bis heute nicht wirklich geändert. In meiner überdimensionalen Handtasche befinden sich immer mindestens ein Buch (heute werde ich mich ganz bestimmt in der Mittagspause in den Park setzten und lesen, ich weiß nur noch nicht welches), mindestens drei Pakete Taschentücher (ich könnte mich erkälten, Allergien kriegen, mich mit irgendwas bekleckern …), Sonnenbrille, Regenschirm, Strickjacke, Handcreme, Gesichtscreme, Make-up, verschiedene Variationen Lippenstifte, Lidschatten etc. (könnte ja sein, dass ich mich im Laufe des Tages noch umstylen muss), Portemonnaie, Kalender, Handy, Notizbuch, Kaugummi, Hustenbonbons, Pflaster, Kopfschmerztabletten, Nagelpflegeset, … und wer weiß was nicht noch alles an Zetteln, alten Kassenbons, angefangenen Schokoriegeln, Bonbonpapier und und und. Ich stopfe alles rein, man weiß nie wozu es noch gut sein kann.

Ich bin also auf alles bestens vorbereitet, auch wenn ich mich noch todschleppe. Ich bin die, die bei einem plötzlichen Regeneinbruch einen Schirm dabeihat und wenn kurz darauf die Sonne scheint innerhalb von Sekunden zur Sonnenbrille wechselt. Traurig daran ist nur, dass ich die meiste Zeit des Tages in meinem Büro sitze und vom Wetter verschont bleibe. Aber das macht nichts, ich weiß ich bin nicht die Einzige. Jeden morgen in der U-Bahn sehe ich sie, die anderen Frauen mit den überdimensionalen Taschen und dem entspannten Gesichtsausdruck, da sie Wissen: „Ich bin auf alles vorbereitet. Auch heute stehen meine Chancen den Dschungel zu überleben bestens!“

Hin und wieder sehe ich mal eine dazwischen mit so einem niedlichen kleinen Täschchen, das damenhaft von ihrer Schulter oder an ihrem Handgelenk baumelt. Aber wenn man genau hinschaut sieht man neben ihr dann eine von diesen Tüten aus festem Karton, meistens von Douglas, mit herausragenden Getränkeflaschen, Büchern, Strickjacken, …

12. Juni 2007

Hallo Ihr Lieben

Da stehen wir nun, 26…, ok 29…, also gut 30, Studium, Ausbildung, alles hinter uns. Voller Erwartungen und diffusen Bildern aus Fernsehserien im Kopf haben wir uns ins Arbeitsleben gestürzt. Und jetzt?

Das Leben ist keine Fernsehserie.

Schade eigentlich, dabei könnten wir uns das so gut vorstellen: schickes Apartment, immer toll angezogen und perfekt geschminkt verbringen wir unsere Freizeit (die selbstverständlich den größten Teil unserer Zeit einnimmt) damit unser Privat- und Beziehungsleben zu ordnen und zu pflegen, shoppen zu gehen oder einfach in Restaurants, Clubs oder Bars (nur die schicksten und angesagtesten) mit unseren Freundinnen (wie wir toll angezogen und gestylt) abzuhängen. Unser Job ist unglaublich glamourös und alle unsere Kollegen könnten auch ohne weiteres als Modells arbeiten (bis auf den einen etwas seltsamen aber doch netten Typ der immer so gute Ratschläge für alle Lebenslagen hat). Selbstverständlich verdienen wir dabei unglaublich viel Geld, so dass wir uns die bereits erwähnte Wohnung (zentral gelegen, aber kein Verkehrslärm, großzügig geschnitten, Dachterrasse, Vollbad), Designerklamotten und -accessoires und regelmäßige Abende in schicken und angesagten Restaurants, Clubs und Bars locker leisten können. Und das, obwohl wir eigentlich nur gelegentlich Zeit im Büro verbringen und dann auch nur, um uns mit unseren Kollegen über Sex- und Beziehungsfragen auszutauschen.
Gibt es Probleme, sind sie bis zum Ende der Folge (des Tages, oder zumindest der Woche) wieder gelöst.

So ein Leben könnten wir uns super vorstellen. Ein Leben wie Ally McBeal, Carrie Bradshaw oder zumindest Susan Mayer sollte es sein. Und was haben wir? Einen Job bei dem wir mehr Zeit verbringen als Zuhause, der irgendwie unglamourös ist und bei dem wir im Monat gerade mal soviel verdienen wie die Handtaschen in unseren Lieblingszeitschriften kosten (pro Stück). Dabei haben wir doch alles versucht! Wir haben uns voll und ganz auf unsere Beziehung und Designerschuhe konzentriert, aber hat uns das weitergeholfen? Nein, leider nicht. Ist das ein Grund aufzugeben? Nein, auf keinen Fall! Ich mache weiter!

Ich kann dieses Gerede über Selbstverwirklichung und Erfüllung finden im Beruf sowiso nicht ausstehen, dafür bin ich nicht protestantisch genug. Ich gehe also arbeiten und versuche mich weiterhin auf mein Privatleben und die Welt um uns herum zu konzentrieren.

Und irgenwann muss doch das Glamourleben mal anfangen…